Saturday, November 14, 2009

Fahrenheit- Der letzte interaktive Spielfilm oder die Geburtsstunde einer neuen Art von Spiel?

Guten Morgen. Heute möchte ich euch einmal etwas empfehlen. In der aktuellen Computer Bild Spiele findet ihr die Vollversion von “Fahrenheit” für nur 2,99€. Warum es sich lohnt, Fahrenheit zu erwerben, will ich etwas näher erläutern.

Zuerst: Was ist Fahrenheit? Fahrenheit (USA: Indigo Phrophecy) ist eine Art Action- Adventure (im weitesten Sinne) von Quantic Dream (Omikron- The Nomad Soul), erschienen 2005. Die Genre- Zuordnung fällt schwer. Man könnte Fahrenheit berechtigterweise einen “Interaktiven Film” nennen, wenn das nicht so vorbelastet wäre. Für ein Adventure fehlen knackige Rätsel. Für einen interaktiven Film, so wie er meist definiert wird, fehlen echte Schauspieler. Fahrenheit- Erfinder David Cage nennt es ein “interaktives Drama für Erwachsene“. Das trifft es ziemlich gut.

Fahrenheit bietet keinerlei klassische Rätsel. Inventarspielereien und das Kombinieren von Gegenständen sind nicht gefragt. Böse ausgedrückt, geht es lediglich darum, im richtigen Moment die richtigen Tasten zu drücken. Man trifft die Wahrheit aber besser, wenn man es wie folgt ausdrückt: Fahrenheit bietet von der Spielmechanik her, sehr wenig. Das eigentliche Spiel ist auf ein Minimum reduziert, solange bis fast nur Reaktionsspielchen bleiben. Die Faszination liegt in der Art und Weise, wie Fahrenheit seine Charaktere und die Geschichte in den Vordergrund rückt.

Fahrenheit ist trotzdem in keiner Sekunde langweilig, man hat nicht das Gefühl, zum Zuschauen verdammt zu sein, sondern ist gebannt. Zwar nicht allzu lange (geübte Spieler können das Spiel locker an einem Wochenende durchspielen), aber dafür auf konsequent hohem Niveau. Wenn Fahrenheit ein interaktiver Spielfilm ist, dann beweist es, wozu dieses Genre in der Lage ist, wenn man es ernst nimmt und sich Mühe gibt (so wurden die Animationen im Spiel mithilfe des Motion Capture- Verfahrens aufgezeichnet und ins Spiel integriert).

Installiert ihr Fahrenheit wird euch sofort die wunderbare Musik auffallen. Sie wurde komponiert von Angelo Badalamenti, das ist der Herr, der auch die Musik in vielen David Lynch- Filmen macht.

Während der Installation löst ihr ein Quiz (ich hatte 8 von 15 Fragen richtig), welches euch auf die Thematik des Spiels einstimmt: Serienmorde. Nebenbei vertreibt euch das Quiz die Zeit, denn die Installation dauert lange, lasst euch aber davon nicht abschrecken. Mit Fahrenheit habt ihr eines jener wenigen, erwachsenen Spiele erworben, die ihr Geld quasi immer wert sind, allein schon aufgrund der Atmosphäre. Nach der Installation gehts dann auch sofort los, mit einem atmosphärischen Flug über ein verschneites New York. Düstere Grundstimmung, mysteriöse Morde, Polizisten mit eigenen Problemen- und ihr mittendrin, als Getriebener, Verwirrter.

Die Charakterzeichnung ist eine der großen Stärken von Fahrenheit. Ihr spielt im Spiel zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Charaktere, was Fahrenheit für ein paar sehr nette Effekte nutzt. So seid ihr euch zeitweilig selbst auf der Spur. Als Polizist (den ihr spielt) jagt ihr einen unter Mordverdacht stehenden Charakter (den ihr zuvor gespielt habt). Als Mordverdächtiger versucht ihr euch der Festnahme durch die Polizei zu entziehen. Das führt immer wieder zu hochdramatischen Momenten in der Geschichte.

Schwächer fällt die Grafik aus. Sie ist, gerade aus heutiger Sicht, eher zweckmäßig zu nennen. Für mich ist Grafik aber sekundär. Ich spiele wegen der Geschichte und der Atmosphäre. Und da punktet Fahrenheit und überzeugt auf ganzer Linie.

In den großen Spielemagazinen wurde Fahrenheit meines Wissens nahezu durchgehend gelobt und als herausragend und innovativ beschrieben. Hohe Wertungen blieben aber aus. Zu sehr fiel die kurze Spielzeit und der Mangel an wirklichem “Spielen” ins Gewicht. Fahrenheit ist neuartig, mutig. Es ist ein Experiment. Als solches eindeutig in Teilen unperfekt. In einem klassischen Wertungssystem lässt sich die Faszination Fahrenheit nicht ausdrücken.

Hauptkaufanreiz soll für die CBS- Zielgruppe wohl Tomb Raider Legend oder der World of Warcraft- Client sein, der beiliegt. Uns interessiert das nicht. Hier geht es um die zweite Vollversion. Wenn ihr auf Lara und Online-Schnetzeleien verzichten könnt: Holt euch die Silberversion der CBS. Die Zeitschrift werft ihr weg.

Möchte euch diesen, etwas übertriebenenen, Artikel auf Stern.de nicht vorenthalten. Dort erfahrt ihr, wenn ihr wollt, etwas mehr über die Story. Ich habe sie hier absichtlich nicht angerissen, weil ich finde, die soll sich jedem selbst erschließen. Fahrenheit wirkt am Besten, wenn man nicht weiß, auf was man sich einlässt.

Auch SpOn berichtete über Fahrenheit: “Endlich werden Geschichten erzählt“. In den populären Medien ist Fahrenheit angekommen. Gut verkauft haben dürfte es sich nicht. In meinem Bekanntenkreis kennen viele Leute das Spiel, aber wenige haben es gespielt und noch weniger empfinden die spezielle Faszination, von der ich hier schreibe.

Fazit: Leider hat Fahrenheit nicht wirklich Nachahmer gefunden, was sicherlich auch an den Verkaufszahlen lag. Scheinbar gibt es für diese Art Spiel keine große Zielgruppe.  Somit ist es wohl eher der letzte große Vertreter eines aussterbenden Genres und nicht der Wegbereiter für etwas Neues (auch wenn Quantic Dream wohl weiterhin diese Art Spiel macht, Heavy Rain sieht Fahrenheit ziemlich ähnlich, wird aber nicht für den PC entwickelt). Ich finde das schade, weswegen ich euch dieses tolle Spiel einfach ans Herz legen muss. In meiner persönlichen Liste herausragender Spiele kommt Fahrenheit an prominenter Stelle vor. Irgendwo in der Nähe von Outcast, Bioshock, Operation Flashpoint oder auch Baldurs Gate (Liste wahllos und sicher unvollständig); alles Spiele, die auf ihre Art für mich besonders sind.

Danke an @nerdzoneblog, der mir durch seine Begeisterung für dieses tolle Spiel zeigte, dass es auch anderen so geht und der mir das Gefühl gab: Es könnte Sinn machen, euch von meiner Sicht des Spiels zu erzählen.

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